50. Internationaler Wesermarathon

Unvergessliche "Tortour" durchs Märchenland der Brüder Grimm


Drei Jahre hatte die 50. Auflage des Wesermarathons wegen Corona warten müssen, in diesem Jahr nun konnte das Jubiläum der "schönsten Schinderei im Frühling" endlich stattfinden. Kaum eine andere DKV-Gemeinschaftsfahrt vereint ein derart großes Teilnehmerfeld mit einem alles abverlangenden sportlichen Anspruch wie der Internationale Wesermarathon. In der über 800-jährigen Fachwerkstadt Hann. Münden, wo sich Fulda und Werra zur Weser vereinen, kündigte sich das Wassersport-Großereignis schon  in den Tagen vor dem Fahrttermin am 1. Mai an: Auf den Straßen, in den Restaurants und erst recht auf dem Campingplatz am Tanzwerder - überall waren Teilnehmer der Jubiläumsfahrt anzutreffen. Insgesamt fieberten knapp 1200 Paddler und Ruderer der Fahrt durch das "märchenhafte" Weserbergland entgegen.


Zusammen mit Jan, Markus, Tanja und Ingo wagte ich mich als Wesermarathon-Greenhorn und mittlerweile ziemlich untrainiert an diese Herausforderung. Und da die vier unter den zur Auswahl stehenden Distanzen für das Silberziel nach 80 Kilometern in Holzminden plädierten - das Bronzeziel wäre nach 53 Kilometern in Beverungen erreicht gewesen und für das Goldziel Hameln hätten 135 Kilometer gepaddelt werden müssen -, wollte ich nicht nachstehen und schloss mich ihnen an, allerdings mit einer gehörigen Portion Skepsis, ob ich es auch wirklich schaffen würde. Jan, der mir für die Fahrt dankenswerterweise einen recht flotten Kajak von sich überlassen hatte, bot mir jedoch zu meiner Beruhigung an, m ich in Beverungen einzusammeln, sollte ich es tatsächlich nicht bis Holzminden schaffen.


Massenandrang in aller Herrgottsfrühe


Am Tag der Fahrt herrscht gegen 6 Uhr an der Schleuse in Hann Münden schon rege Betriebsamkeit. Kurz vor 8 Uhr, als der größte Andrang vorüber ist, geht auch unsere kleine KKM-Gruppe aufs Wasser und legt die letzten Meter auf der Fulda bis zur Inselspitze Tanzwerder zurück, wo der Weserstein den Beginn der Weser markiert. Die junge Weser trägt uns nun einigermaßen flott durch eine der schönsten Paddelstrecken in Mitteldeutschland, eingebettet in das üppige Grün der dicht bewaldeten Höhen zu beiden Seiten, nur hin und wieder unterbrochen von goldgelben, langgestreckten Rapsfeldern.


Auf der Fahrt passieren wir ab und an eine der für die Weser typischen Seilfähren. Am rechten Ufer bzw. ab Würgassen auf der linken Seite erblicken wir immer wieder Radtouristen auf dem gut frequentierten Wesertalradweg. Ingo, Jan und Markus paddeln schon seit geraumer Zeit voraus, Tanja und ich bilden die Nachhut unseres Teams. Als wir Bad Karlshafen erreichen, fällt uns beiden am linken Ufer ein Saunapark ins Auge. Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass mir jetzt eine Wellness-Pause guttun würde, auch Tanja schein den Gedanken sympathisch zu finden. Doch die Weser lässt uns nicht los. Hinter Bad Karlshafen grüßt von einem steilen Felsen am rechten Ufer die kühne Konstruktion des Skywalks. Ich stelle mir den fantastischen Blick von dort oben über das Wesertal vor. Die nun von etwas Gegenwind heimgesuchte Weser holt mich allerdings sogleich wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück.


Je länger wir unterwegs sind, desto schwerer fällt nun das Paddeln. Immer öfter wandert der Blick zur Kilometrierung am Ufer, sehnsüchtig hoffend, aus den 30iger mögen 40iger und schließlich 50iger Kilometer werden. Dann endlich ist bei Kilometer 53 das Bronzeziel Beverungen erreicht. Während andere hier ihren Marathon beenden, gönnen wir uns lediglich eine kurze Pause. Dann geht es weiter, vor uns liegen noch einmal 27 anstrengende und kraftraubende Kilometer bis zum Silberziel Holzminden. Es sind nun deutlich weniger Boote auf dem Fluss unterwegs.


Am Ende lässt Erleichterung die Zweifel vergessen


Hinter Höxter verabschieden sich langsam die Höhenzüge des Weserberglandes, die Landschaft zeigt nun zunehmend flachere Konturen. Dafür zwickts bei mir immer häufiger im Rücken und die Arme werden schwerer und schwerer. Die anderen sehe ich schon lange nicht mehr, auch Tanja ist weit vor mir. In meinem Kopf gewinnen langsam Zweifel an der Berechtigung des Attributs "schönste Schinderei im Frühling" die Oberhand. 'Was ist da noch schön, eigentlich ist es doch nur noch Schinderei', denke ich. Zäh vergeht Kilometer für Kilometer, bis nach einer letzten Biegung hinter Lüchtringen die Turmspitze der Lutherkirche in Holzminden in Blickfeld kommt. Geschafft! Unendlich froh nun aussteigen zu können, wächst mein Respekt vor all jenen, die noch 55 Kilometer bis zum Goldziel Hameln dranhängen.




Als dann ein, zwei Stunden nach der Ankunft in Holzminden die Lebensgeister langsam wieder zurückgekehrt sind, kann auch ich dem Attribut der "schönsten Schinderei" wieder mehr Berechtigung abgewinnen. So bleibt neben dem Stolz, als einer von 540 Paddlern das Silberziel erreicht zu haben - 430 Paddler absolvierten die Bronzedistanz und immerhin 210 schafften die Goldstrecke - unterm Strich am Ende doch die Überzeugung, ein wunderschönes Erlebnis gehabt zu haben.


Text u. Fotos: Hans-Peter Wagner

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